Medien im Familienalltag: Chancen, Risiken und Hilfen – Tipps zur gesunden Medienerziehung
Christian Krieg von der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen Mecklenburg-Vorpommern (LAKOST MV) im Interview
Familienleben in MV | Hilfe & Beratung | Jugend
15. Mai 2025 | Diana Wienbrandt
Digitale Medien sind längst Teil unseres Familienalltags – vom Videoanruf mit den Großeltern bis hin zu ersten Apps oder Spielen. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für Kinder, ins digitale Leben zu starten? Wie viel Bildschirmzeit ist „okay“ – und wie können Eltern sinnvolle Regeln aufstellen, die eingehalten werden? Welche Risiken und aktuelle Trends gibt es im Netz, die Eltern kennen sollten?

Christian Krieg ist Referent für Medien- und Glücksspielsuchtprävention bei der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen Mecklenburg-Vorpommern (LAKOST MV). In seiner Arbeit unterstützt er Familien, Fachkräfte und Bildungseinrichtungen dabei, Kinder und Jugendliche zu einem gesunden Umgang mit digitalen Medien zu begleiten – praxisnah, alltagsorientiert und mit Blick auf die Entwicklung von Medienkompetenzen.

Mit seiner Erfahrung in der Suchtprävention kennt er sowohl die Risiken als auch die Chancen digitaler Medien. Er zeigt auf, wie Eltern ihre Kinder stärken können – ohne starre Verbote, sondern mit gemeinsamen Regeln, aktiver Begleitung und Dialogbereitschaft.

Christian Krieg von der LAKOST MV

Welche Rolle spielen Eltern bei der Medienerziehung ihrer Kinder?

Eltern spielen eine zentrale Rolle in der Medienerziehung. Sie sind Vorbilder, Begleiter*innen und oft auch erste Ansprechperson bei Fragen oder Problemen.

Durch ihr eigenes Medienverhalten prägen Eltern, wie ihre Kinder mit digitalen Inhalten umgehen. Gleichzeitig helfen klare Regeln, Gespräche auf Augenhöhe und echtes Interesse dabei, Kinder zu einem reflektierten und selbstbewussten Umgang mit Medien zu erziehen.

Eltern müssen dabei nicht alles wissen, viel wichtiger ist, offen, aufmerksam und ansprechbar zu bleiben. Medienerziehung ist keine Einmal-Aktion, sondern ein Prozess, der genau wie das Kind, wächst und sich weiterentwickelt.

Ab welchem Alter sollten Kinder Zugang zu digitalen Medien erhalten?

Unter drei Jahren ist davon abzuraten. Digitale Medien haben für diese Altersklasse keinen Mehrwert. Auch das beste Lernvideo vermittelt nicht das, was die kleinen mit der Gesamtheit ihre Sinne erfassen. Natürlich geht die Welt nicht unter, wenn das Kind mit den Großeltern videotelefoniert. Grundsätzlich sollte der Medienkonsum unter sechs Jahren gemeinsam erfolgen. Eltern sollten auch für die „Großen“ immer als Ansprechpartner für Fragen und Probleme zur Verfügung stehen.

Gibt es Empfehlungen für die maximale Bildschirmzeit je nach Altersgruppe?

Ja, die gibt es. Ich bin allerdings kein großer Freund davon. Mediennutzung kann Spaß machen und lehrreich sein. Insbesondere wenn Eltern und Kinder diese gemeinsam erkunden. Insofern sollten Eltern eher darauf achten, dass ihre Kinder eine gute Balance zwischen Medienzeit und anderen (gemeinsamen) Aktivitäten haben.

Wer es etwas konkreter mag, dem sei die Faustformel zehn Minuten mal Lebensalter ans Herz gelegt. Das stellt nur eine grobe Richtlinie dar, die Ausgestaltung muss jede Familie für sich festlegen.

Wie können Eltern sinnvolle Regeln für die Mediennutzung aufstellen?

Wie bei so Vielem, gibt es kein Patentrezept. Die folgenden Schritte können Eltern aber als Richtschnur dienen.

Kinder und Jugendliche akzeptieren Regeln eher, wenn sie mitgestalten dürfen. Das stärkt das Verständnis und die Eigenverantwortung. Je älter die Kinder, desto mehr sollten sie einbezogen werden. Bei den Kleineren sind es die Eltern, die die Vorgaben machen, denn sie haben den Weitblick und die Verantwortung.
Feste Zeiten für Bildschirmnutzung schaffen Struktur. Medienfreie Zeiten wie beim Essen oder vor dem Schlafen sind wichtig.
Nicht nur die Nutzungsdauer ist entscheidend, sondern auch was konsumiert wird. Altersgerechte Spiele, Serien oder Apps sollten gemeinsam ausgewählt und hinterfragt werden.
Regeln gelten auch für Eltern – wer beim Abendessen am Handy hängt, macht sich selbst unglaubwürdig.
Regeln sind nicht in Stein gemeißelt. Wenn etwas gut funktioniert – oder gar nicht –, sollte offen darüber gesprochen und bei Bedarf nachgebessert werden. Auch wenn der Alltag stressig ist, Eltern sollten Interesse für das Mediennutzungsverhalten ihrer Kinder zeigen.
Es wird immer Anlässe für Streit und Unstimmigkeiten geben. Eltern sollten auf die Umsetzung der festgelegten Regeln achten, ohne zu dogmatisch zu werden. Bieten Sie Gelegenheit über Regeln zu sprechen, aber nicht bei jeder Gelegenheit.

Können Sie Beispiele nennen, wie digitale Medien auch positive Effekte auf die Entwicklung von Kindern haben können?

Ich beobachte immer wieder, wie digitale Medien ganz pragmatisch den Familienalltag bereichern können. Zum Beispiel können Vorlese-Apps und E-Books Kinder zum Lesen motivieren – mit Quizfragen und interaktiven Spielen wird das Textverständnis quasi nebenbei gestärkt.

Den besten Einfluss haben digitale Medien, wenn sie Kinder selbst aktiv werden lassen, zum Beispiel, wenn sie eigene Videos drehen oder kurze Trickfilme produzieren. Das Erfolgserlebnis, etwas Eigenes geschaffen zu haben, stärkt das Selbstbewusstsein und legt einen Grundstein für echte Medienkompetenz. Wichtig ist dabei, dass Eltern und Kinder gemeinsam passende Angebote auswählen und anschließend darüber sprechen, was besonders Spaß gemacht hat.

Was sind Warnsignale für Medienabhängigkeit, und wie sollten Eltern darauf reagieren?

Wenn Eltern die folgenden Merkmale über mehrere Monate bei ihren Kindern beobachten und sich unsicher sind, ob eine Gefährdung vorliegt, kann es hilfreich sein sich in einer Suchtberatungsstelle anonym und kostenfrei Beratung zu holen:

  • Kontrollverlust: Ihr Kind hat kaum noch Kontrolle über Nutzungsdauer und Häufigkeit bei Gaming, Streamen oder in sozialen Netzwerken.
  • Vernachlässigung anderer Bereiche: Schule, Hobbys oder soziale Kontakte rücken in den Hintergrund.
  • Trotz negativer Folgen kein Stopp: Obwohl es bereits zu Problemen kommt, fällt es schwer, das Verhalten zu ändern.

Welche Tipps haben Sie für Eltern, die selbst Schwierigkeiten haben, ihre Mediennutzung zu kontrollieren?

Nutzen sie die Einstellungsmöglichkeiten, die bereits in ihren Smartphones integriert sind. Setzen sie sich Zeitbegrenzungen von z. B. 30 Minuten für die von ihnen am meisten genutzten Apps. Sie werden erstaunt sein, wie schnell ihr App-Limit erreicht ist.

Schaffen sie sich medienfreie Zeiten/ Räume. Wenn sie z. B. mit ihrem Kind spielen, legen sie das Smartphone in einen anderen Raum. So können Sie der Versuchung einen kurzen Blick auf das Handy zu werfen widerstehen.

Versuchen Sie Ihre Bildschirmzeit bewusster zu gestalten. Statt Dauer-Scrollen lieber gezielt etwas anschauen, dann wieder abschalten.

Wie können Eltern Cybermobbing erkennen und darauf reagieren?

Eltern können Cybermobbing häufig daran erkennen, dass ihr Kind plötzlich ängstlich wirkt, sich zurückzieht oder auf Nachrichten und Posts in sozialen Netzwerken nervös reagiert. Suchen Sie frühzeitig das Gespräch und schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre. Folgende Punkte können Eltern helfen im akuten Fall strukturiert vorzugehen und ihrem Kind schnellstmöglich zu helfen.

Sofortmaßnahmen bei Cybermobbing für Eltern:

  • Ruhe bewahren: Nicht impulsiv reagieren, um Eskalation zu vermeiden.
  • Dokumentation: Screenshots und Nachrichten sichern, um Vorfälle zu belegen.
  • Blockieren/Melden: Mobber blockieren und problematische Inhalte über Plattformen melden.
  • Klare Kommunikation: Klare, verletzende Aussagen benennen.
  • Schulinfo: Bei schulischem Cybermobbing Lehrkräfte informieren.
  • Vertrauenspersonen: Unterstützung durch Freunde, Familie und erwachsene Vertrauenspersonen suchen.
  • Externe Hilfe: Bei Bedarf professionelle Beratung (z. B. Nummer gegen Kummer) in Anspruch nehmen.
  • Polizei einschalten: In schweren Fällen die Polizei informieren.
  • Mediennutzung nicht einschränken: Vollständiger Entzug von Smartphone/Internet führt selten zur Lösung.

Welche neuen Technologien oder Trends sollten Eltern im Blick behalten?

In der digitalen Welt gibt es ständig neue Entwicklungen – es fällt vielen Eltern schwer, Schritt zu halten. Dennoch lohnt es sich, einige aktuelle Trends im Blick zu behalten, die besonders Kinder und Jugendliche ansprechen.

Ein zentrales Thema ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Apps und Chats. Einige Programme – wie KI-Chatbots oder virtuelle Freund*innen – wirken erstaunlich echt und können emotionale Bindungen aufbauen. Für junge Menschen, die auf der Suche nach Nähe oder Bestätigung sind, kann das sehr anziehend sein. Es birgt aber auch Risiken vor allem, wenn Inhalte nicht altersgerecht sind oder diese Chatbots als Ersatz für echte Freunde angesehen werden.

Auch im Bereich Gaming gibt es Veränderungen. Sogenannte –„Free to Play“- Spiele sind allgegenwärtig. Spiele wie „Fortnite“, „Brawl Stars“ oder „Roblox“ sind zwar kostenlos, verdienen aber Geld durch In-Game-Käufe. Kinder werden dabei gezielt ermutigt coole Outfits, Belohnungen zu erwerben und mit zeitlich limitierten Angeboten unter Druck gesetzt.

Virtuelle Währungen wie „V-Bucks“ oder „Robux“ lassen den Bezug zum echten Geld verschwimmen. So wird Kaufen zur Gewohnheit – oft, ohne den Wert zu verstehen.

Diese Spielewelten sind kommerzielle Plattformen. Eltern sollten gemeinsam mit ihren Kindern über Ausgaben sprechen, klare Regeln setzen und den Umgang mit virtuellem Geld begleiten.

Nicht zuletzt spielt auch das sogenannte Doomscrolling eine Rolle: Gemeint ist das endlose Konsumieren von Inhalten auf Plattformen wie TikTok oder YouTube. Die Algorithmen sorgen dafür, dass Nutzer:innen immer weiter schauen – oft ohne Pause. Das kann zu Schlafmangel, Konzentrationsproblemen und einer verzerrten Sicht auf die Welt führen.

Gibt es in Mecklenburg-Vorpommern spezifische Initiativen oder Programme zur Unterstützung von Familien bei der Medienerziehung?

Ja, die gibt es und glücklicherweise sind die Angebote sehr vielfältig und für alle Altersgruppen erhältlich.

 

Für die Kleinsten: „Medienstarter“ mit Hannes Biene

Unser Programm „Medienstarter“ richtet sich an Kinder im Kita-Alter und vermittelt spielerisch erste Medienkompetenzen. Mit liebevoll gestalteten Materialien wie:

  • Kinderbuch zum Entdecken und Anschauen
  • Fühlspiel für taktile Erlebnisse
  • Handpuppe Hannes Biene als fröhlicher Begleiter

können schon die Jüngsten einen achtsamen Zugang zu Bildschirmen und digitalen Anwendungen finden. Erzählen Sie in Ihrer Kita von diesem Projekt – vielleicht summt Hannes bald auch in der Kita Ihrer Kinder durch den Morgenkreis!

 

Für interessierte Eltern: Weiterbildung und Austausch

Damit Sie als Eltern fit im Umgang mit Smartphone, Tablet & Co. bleiben, gibt es:

  • Digitale Vorbilder
    Umfangreiche Material- und Videosammlungen zu Themen rund um Datenschutz, Sicherheit und bewusste Mediennutzung.
  • Medienguides MV
    Zwei praxisorientierte Seminare, in denen Expert*innen wertvolle Tipps für den Familienalltag mit digitalen Medien vermitteln.

 

Für Jugendliche: Expert*innen in eigener Sache

Jugendliche können sich als Medienscouts ausbilden lassen und selbst zu Medienexpert*innen werden. Gut informiert unterstützen sie nicht nur Freund*innen, sondern bringen ihr Wissen auch zu Hause ein und fördern so den bewussten Umgang in der ganzen Familie.

 

Weitere Anlaufstellen

Christians abschließender Tipp für Eltern und Familien!

Informieren Sie sich über Trends, bleiben Sie dem Thema und vor allem Ihren Kindern gegenüber zugewandt. Sie können die digitale Welt gemeinsam Erkunden und lernen wie Sie, als Familie, daran wachsen.

Wie Sie sich vorstellen können, wird das nicht konfliktlos ablaufen. Vergessen Sie dabei nicht: (Medien-) Erziehung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn Sie mit Optimismus an den Start gehen und sich fit halten, wird es Ihnen gelingen.

Falls Sie Unterstützung benötigen, gibt es Anlaufstellen überall in MV im Beratungsstellennetzwerk, die Ihnen zur Seite stehen.

Weitere Informationen im Netz & Unterstützungsangebote zur Medienerziehung in MV

Medienangebote und Netzwerke in MV

Medienerziehung im Familienalltag

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