Christian Krieg ist Referent für Medien- und Glücksspielsuchtprävention bei der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen Mecklenburg-Vorpommern (LAKOST MV). In seiner Arbeit unterstützt er Familien, Fachkräfte und Bildungseinrichtungen dabei, Kinder und Jugendliche zu einem gesunden Umgang mit digitalen Medien zu begleiten – praxisnah, alltagsorientiert und mit Blick auf die Entwicklung von Medienkompetenzen.
Mit seiner Erfahrung in der Suchtprävention kennt er sowohl die Risiken als auch die Chancen digitaler Medien. Er zeigt auf, wie Eltern ihre Kinder stärken können – ohne starre Verbote, sondern mit gemeinsamen Regeln, aktiver Begleitung und Dialogbereitschaft.
Welche Rolle spielen Eltern bei der Medienerziehung ihrer Kinder?
Eltern spielen eine zentrale Rolle in der Medienerziehung. Sie sind Vorbilder, Begleiter*innen und oft auch erste Ansprechperson bei Fragen oder Problemen.
Durch ihr eigenes Medienverhalten prägen Eltern, wie ihre Kinder mit digitalen Inhalten umgehen. Gleichzeitig helfen klare Regeln, Gespräche auf Augenhöhe und echtes Interesse dabei, Kinder zu einem reflektierten und selbstbewussten Umgang mit Medien zu erziehen.
Eltern müssen dabei nicht alles wissen, viel wichtiger ist, offen, aufmerksam und ansprechbar zu bleiben. Medienerziehung ist keine Einmal-Aktion, sondern ein Prozess, der genau wie das Kind, wächst und sich weiterentwickelt.
Ab welchem Alter sollten Kinder Zugang zu digitalen Medien erhalten?
Unter drei Jahren ist davon abzuraten. Digitale Medien haben für diese Altersklasse keinen Mehrwert. Auch das beste Lernvideo vermittelt nicht das, was die kleinen mit der Gesamtheit ihre Sinne erfassen. Natürlich geht die Welt nicht unter, wenn das Kind mit den Großeltern videotelefoniert. Grundsätzlich sollte der Medienkonsum unter sechs Jahren gemeinsam erfolgen. Eltern sollten auch für die „Großen“ immer als Ansprechpartner für Fragen und Probleme zur Verfügung stehen.
Gibt es Empfehlungen für die maximale Bildschirmzeit je nach Altersgruppe?
Ja, die gibt es. Ich bin allerdings kein großer Freund davon. Mediennutzung kann Spaß machen und lehrreich sein. Insbesondere wenn Eltern und Kinder diese gemeinsam erkunden. Insofern sollten Eltern eher darauf achten, dass ihre Kinder eine gute Balance zwischen Medienzeit und anderen (gemeinsamen) Aktivitäten haben.
Wer es etwas konkreter mag, dem sei die Faustformel zehn Minuten mal Lebensalter ans Herz gelegt. Das stellt nur eine grobe Richtlinie dar, die Ausgestaltung muss jede Familie für sich festlegen.
Wie können Eltern sinnvolle Regeln für die Mediennutzung aufstellen?
Wie bei so Vielem, gibt es kein Patentrezept. Die folgenden Schritte können Eltern aber als Richtschnur dienen.
Können Sie Beispiele nennen, wie digitale Medien auch positive Effekte auf die Entwicklung von Kindern haben können?
Ich beobachte immer wieder, wie digitale Medien ganz pragmatisch den Familienalltag bereichern können. Zum Beispiel können Vorlese-Apps und E-Books Kinder zum Lesen motivieren – mit Quizfragen und interaktiven Spielen wird das Textverständnis quasi nebenbei gestärkt.
Den besten Einfluss haben digitale Medien, wenn sie Kinder selbst aktiv werden lassen, zum Beispiel, wenn sie eigene Videos drehen oder kurze Trickfilme produzieren. Das Erfolgserlebnis, etwas Eigenes geschaffen zu haben, stärkt das Selbstbewusstsein und legt einen Grundstein für echte Medienkompetenz. Wichtig ist dabei, dass Eltern und Kinder gemeinsam passende Angebote auswählen und anschließend darüber sprechen, was besonders Spaß gemacht hat.
Was sind Warnsignale für Medienabhängigkeit, und wie sollten Eltern darauf reagieren?
Wenn Eltern die folgenden Merkmale über mehrere Monate bei ihren Kindern beobachten und sich unsicher sind, ob eine Gefährdung vorliegt, kann es hilfreich sein sich in einer Suchtberatungsstelle anonym und kostenfrei Beratung zu holen:
Welche Tipps haben Sie für Eltern, die selbst Schwierigkeiten haben, ihre Mediennutzung zu kontrollieren?
Nutzen sie die Einstellungsmöglichkeiten, die bereits in ihren Smartphones integriert sind. Setzen sie sich Zeitbegrenzungen von z. B. 30 Minuten für die von ihnen am meisten genutzten Apps. Sie werden erstaunt sein, wie schnell ihr App-Limit erreicht ist.
Schaffen sie sich medienfreie Zeiten/ Räume. Wenn sie z. B. mit ihrem Kind spielen, legen sie das Smartphone in einen anderen Raum. So können Sie der Versuchung einen kurzen Blick auf das Handy zu werfen widerstehen.
Versuchen Sie Ihre Bildschirmzeit bewusster zu gestalten. Statt Dauer-Scrollen lieber gezielt etwas anschauen, dann wieder abschalten.
Wie können Eltern Cybermobbing erkennen und darauf reagieren?
Eltern können Cybermobbing häufig daran erkennen, dass ihr Kind plötzlich ängstlich wirkt, sich zurückzieht oder auf Nachrichten und Posts in sozialen Netzwerken nervös reagiert. Suchen Sie frühzeitig das Gespräch und schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre. Folgende Punkte können Eltern helfen im akuten Fall strukturiert vorzugehen und ihrem Kind schnellstmöglich zu helfen.
Sofortmaßnahmen bei Cybermobbing für Eltern:
Welche neuen Technologien oder Trends sollten Eltern im Blick behalten?
In der digitalen Welt gibt es ständig neue Entwicklungen – es fällt vielen Eltern schwer, Schritt zu halten. Dennoch lohnt es sich, einige aktuelle Trends im Blick zu behalten, die besonders Kinder und Jugendliche ansprechen.
Ein zentrales Thema ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Apps und Chats. Einige Programme – wie KI-Chatbots oder virtuelle Freund*innen – wirken erstaunlich echt und können emotionale Bindungen aufbauen. Für junge Menschen, die auf der Suche nach Nähe oder Bestätigung sind, kann das sehr anziehend sein. Es birgt aber auch Risiken vor allem, wenn Inhalte nicht altersgerecht sind oder diese Chatbots als Ersatz für echte Freunde angesehen werden.
Auch im Bereich Gaming gibt es Veränderungen. Sogenannte –„Free to Play“- Spiele sind allgegenwärtig. Spiele wie „Fortnite“, „Brawl Stars“ oder „Roblox“ sind zwar kostenlos, verdienen aber Geld durch In-Game-Käufe. Kinder werden dabei gezielt ermutigt coole Outfits, Belohnungen zu erwerben und mit zeitlich limitierten Angeboten unter Druck gesetzt.
Virtuelle Währungen wie „V-Bucks“ oder „Robux“ lassen den Bezug zum echten Geld verschwimmen. So wird Kaufen zur Gewohnheit – oft, ohne den Wert zu verstehen.
Diese Spielewelten sind kommerzielle Plattformen. Eltern sollten gemeinsam mit ihren Kindern über Ausgaben sprechen, klare Regeln setzen und den Umgang mit virtuellem Geld begleiten.
Nicht zuletzt spielt auch das sogenannte Doomscrolling eine Rolle: Gemeint ist das endlose Konsumieren von Inhalten auf Plattformen wie TikTok oder YouTube. Die Algorithmen sorgen dafür, dass Nutzer:innen immer weiter schauen – oft ohne Pause. Das kann zu Schlafmangel, Konzentrationsproblemen und einer verzerrten Sicht auf die Welt führen.
Gibt es in Mecklenburg-Vorpommern spezifische Initiativen oder Programme zur Unterstützung von Familien bei der Medienerziehung?
Ja, die gibt es und glücklicherweise sind die Angebote sehr vielfältig und für alle Altersgruppen erhältlich.
Für die Kleinsten: „Medienstarter“ mit Hannes Biene
Unser Programm „Medienstarter“ richtet sich an Kinder im Kita-Alter und vermittelt spielerisch erste Medienkompetenzen. Mit liebevoll gestalteten Materialien wie:
können schon die Jüngsten einen achtsamen Zugang zu Bildschirmen und digitalen Anwendungen finden. Erzählen Sie in Ihrer Kita von diesem Projekt – vielleicht summt Hannes bald auch in der Kita Ihrer Kinder durch den Morgenkreis!
Für interessierte Eltern: Weiterbildung und Austausch
Damit Sie als Eltern fit im Umgang mit Smartphone, Tablet & Co. bleiben, gibt es:
Für Jugendliche: Expert*innen in eigener Sache
Jugendliche können sich als Medienscouts ausbilden lassen und selbst zu Medienexpert*innen werden. Gut informiert unterstützen sie nicht nur Freund*innen, sondern bringen ihr Wissen auch zu Hause ein und fördern so den bewussten Umgang in der ganzen Familie.
Weitere Anlaufstellen
Informieren Sie sich über Trends, bleiben Sie dem Thema und vor allem Ihren Kindern gegenüber zugewandt. Sie können die digitale Welt gemeinsam Erkunden und lernen wie Sie, als Familie, daran wachsen.
Wie Sie sich vorstellen können, wird das nicht konfliktlos ablaufen. Vergessen Sie dabei nicht: (Medien-) Erziehung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn Sie mit Optimismus an den Start gehen und sich fit halten, wird es Ihnen gelingen.
Falls Sie Unterstützung benötigen, gibt es Anlaufstellen überall in MV im Beratungsstellennetzwerk, die Ihnen zur Seite stehen.
Weitere Informationen im Netz & Unterstützungsangebote zur Medienerziehung in MV